Wie alles anfing: Die Spaltung und die Erklärung

Wenn Weifße fortan weiße Revolutionäre oder weiße Radikale im Mutterland sein wollen, sollten sie sich bewaffnen und die Kolonien überall in der Welt in ihrem gerechten Kampfgegen den Imperialismus unterstützen.
Huey Newton, 1970'

Am 18. Juni 1969 begann die nationale Konferenz des SDS mit über 2000 Delegierten im Chicagoer Coliseum. Im Mittelpunkt der Diskussion stand eine überwiegend von SDSlern der Columbia Universität verfaßte Erklärung mit der Überschrift »You Don't Need a Weatherman to Know Which Way the Wind Blows«, die an diesem Tag in den New Left Notes veröffentlicht worden war. Den Titel gab eine Zeile des Songs »Subterranean Homesick Blues« von Bob Dylan. Es war die Gründungserklärung der Weatherman Organization.

Seit dem Frühsommer wurde die Weatherman­Erklärung in nationalen und regionalen Ausschüssen des SDS kontrovers diskutiert. Die Namen der an der Ausarbeitung des Texts Beteiligten standen später synonym für Weather: Bill Ayers, Mark Rudd, Bernardine Dohrn, Jim Mellen, Terry Robbins, John Jacobs und Jeff Jones. Weitere Autorinnen waren Karin Ashley, Howie Machtinger, Gerry Long und Steve Tappis. Ashley und Tappis verließen die Organisation noch vor Ende des Jahres.

Einige der Delegierten diskutierten gerade die Weather­Erklärung, während vor allem Anhänger von Progressive Labor über Strategien nachdachten, um den Einfluß ihrer Organisation im SDS aufrechtzuerhalten, als eine Gruppe der Black Panther Parry den Saal betrat. Einer von ihnen begann sofort, PL als »konterrevolutionäre Verräter« zu beschimpfen. Die Delegierten reagierten sowohl mit Beifall als auch durch Buhrufe. Als die Polemik des Sprechers in eine wüste Beschimpfung der Frauenbewegung überging und kurz darauf ein anderes Mitglied der Panthers »Pussy Power, Pussy Power!« skandierte, kam es im Saal zu lautstarkem Protest, bis die Panthers, die zumindest in diesem Moment niemanden mehr auf ihrer Seite hatten, schließlich das Podium verließen.

Der nächste Tag begann mit Debatten und Workshops, ähnlich dem ersten. Als gegen abend eine Diskussion entbrannte, wie gegen den Rassismus vorgegangen werden könne, tauchte erneut eine Gruppe Panthers auf der Bühne auf. Sie verlasen eine Erklärung, in der sie ihre bereits am Vortag geäußerte Position gegenüber PL bekräftigten und dem SDS ankündigten, sie müßten sich an ihren Aktionen messen lassen ­ im Klartext hieß das, der SDS sollte PL aus seinen Reihen ausschließen. Darauf hin begannen einige PL­Kader, die Black Panther Parry für ihre Einstellung gegenüber dem schwarzen Nationalismus anzugreifen, ansonsten aber die Panther­Politik gutzuheißen.

An die Adresse der SDS­Leitung ging der Vorwurf, opportunistisch gehandelt zu haben, als sie die Panthers einludt. Bernardine Dohrn, die daraufhin das Wort ergriff, stellte grundsätzlich in Frage, ob man weiterhin in einer Organisation arbeiten könne, der auch PL angehörte. Mark Rudd wollte die Diskussion vertagen, aber Dohrn gelang es, fast die Hälfte der Delegierten in einen Nebentrakt zu lotsen, wo sie für den Rest der Nacht weiter diskutierten. Unterdessen gingen die Gespräche auch im großen Versammlungsraum weiter. Nach fast 18 Stunden verabschiedeten die Delegierten zwar noch eine Resolution, in der sie sich gegen eine Spaltung aussprachen, am 21. Juni gegen Mitternacht jedoch verkündete Bernardine Dohrn schließlich den Ausschluß von Progressive Labor. PL­Leute versuchten vergeblich, Dohrn mit »Schande«­Rufen und »Zerschlagt den Rassismus!«­Parolen niederzuschreien. Sobald die Ausschlußerklärung verlesen war, marschierte der »neue«SDS mit erhobener Faust aus dem Saal.