Sirenen und grelle Lichter. Zayd war tot. Mein Verstand sagte mir, daß Zayd tot war. Die Luft wie kaltes Glas. Riesige Blasen stiegen auf und zerplatzten. Jede in meinem Kopf wie eine Explosion. Ein Geschmack im Mund wie Blut und Dreck. Um mich herum begann sich alles zu drehen, dann überkam mich so etwas wie Schlaf. Im Hintergrund vernahm ich Geräusche - wie Gewehrfeuer. Ich aber fiel ins Dunkle und träumte.
Plötzlich flog die Tür auf, und ich fühlte, wie ich nach draußen auf den Bürgersteig gezerrt wurde. Geschoben und gestoßen, ein Fußtritt gegen den Kopf, ein Schlag in den Magen. Überall Polizei. Einer hielt mir eine Pistole an den Kopf.
"Wo sind sie hin?" brüllte er. "Hure du, mach den verdammten Mund auf, sonst schieß ich dir deinen gottverdammten Kopf zu Brei!"
Ich nickte in Richtung Autobahn. Ich war sicher, daß niemand da langgelaufen war. Einige Bullen rannten los.
"Wir sollten ihr den Rest geben", sagte ein Bulle. Aber die anderen waren alle mit dem Auto beschäftigt, durchsuchten es. Sie stöberten darin herum und rissen alles auseinander.
"Haste die Knarre gefunden?" fragte ständig einer den anderen. Später dann schlug einer vor: "Legen wir sie ins Auto."
"Nee, laß sie in der Gosse liegen, da gehört sie hin. Nur daß sie aus dem Weg ist."
Ich fühlte mich an den Füßen über den Gehsteig gezogen. Mein Brustkorb wie in Flammen. Meine Bluse rot von Blut. Ich war sicher, sie hatten mir den Arm abgeschossen, ich war sicher, nur ein paar Fetzen Fleisch hielten ihn unter der Bluse fest. Ich konnte ihn nicht fühlen.
Endlich kam der Krankenwagen, und sie legten mich hinein. Es war ungeheuer schmerzhaft, bewegt zu werden, aber für die Wolldecken, die dann kamen, lohnten sich die Qualen. Ich fror so sehr. Die Sanitäter untersuchten mich. Ich versuchte zu sprechen, aber nur Blasen kamen über meine Lippen.
Ich hatte Schaum vorm Mund.
"Wo wurde sie getroffen?" fragten sie einander, als sei ich gar nicht da. Die Untersuchung war beendet. Ich war erleichtert.
"Laßt sie uns wegschaffen", sagte einer der Sanitäter.
"Gut, aber warte eben noch mal", erwiderte der Fahrer und stieg aus. "Die hat's zweimal erwischt", hörte ich ihn sagen. "Wir müssen warten." Der Fahrer schlug die Tür hinter sich zu.
Er sagte noch was, aber ich verstand nichts. Die Zeit verging. Ich dämmerte wieder weg. Alles kam mir so unwirklich vor, wie ein Traum, wie ein Alptraum. Mehr Zeit verging. Es schien mir eine Ewigkeit. Ich war da und versank. War da und versank.
"Ist sie schon hinüber?" fragte eine rauhe Stimme. Ich versank wieder. Eine andere Stimme: "Ist sie schon tot?" Ich fragte mich, wie lange der Krankenwagen dort gestanden haben mochte. Die Sanitäter sahen nervös aus. Die Blasen in meiner Brust schienen zu wachsen. Wenn sie zersprangen, erschütterte das meinen ganzen Brustkorb. Ich versank erneut und fand mich im Süden wieder, zur Sommerzeit. Ich dachte an meine Großmutter. Endlich fuhr der Wagen an. "Wenn ich das überlebe", an diesen Gedanken erinnere ich mich, "werde ich nur noch einen Arm haben".
Das Krankenhaus ist blendend weiß. Alle, die ich sehe, sind weiß. Sie scheinen zu warten. Dann plötzlich sind sie auf einmal in Bewegung. Blutdruck, Puls, Spritzen... Zwei Zivilpolizisten kommen herein. Ich weiß, daß es Zivilpolizisten sind, weil sie genauso aussehen. Einer hat ein Gesicht wie eine Bulldogge mit Hängebacken. Sie überwachen die Krankenschwester, die mir die Kleider aufschneidet. Danach betupft einer von ihnen meine Fingerspitzen mit Stäbchen, die aussehen wie Q-Tips. Ich finde später heraus, daß das der Neutronenaktivierungstest ist, mit dessen Hilfe sie feststellen wollen, ob ich eine Waffe abgefeuert habe. Dann versucht ein anderer mir meine Fingerabdrücke abzunehmen, kriegt es aber nicht hin, weil meine Hand gelähmt ist.
"Reich mir mal das Teil für die Leichen ruber." Er legt meine Finger in eine Art Löffel, die dazu benutzt werden, Toten die Fingerabdrücke abzunehmen. Sie fangen an, mir Fragen zu stellen, aber ein Haufen Ärzte kommt dazu. Einer von ihnen, er scheint der Chef zu sein, untersucht mich. Er knufft und stößt mich und wirft mich wie eine Stoffpuppe hin und her. Dann dreht er mich mit einem Ruck ganz herom, als wolle er mich umbringen.. Ich liege schließlich auf dem Bauch. Wie ein Elektroschock durchfährt mich der Schmerz. Ich stöhne auf.
"Nun heul' man nicht, Mädchen", sagt er. "Warum hast du den Polizisten erschossen? Warum hast du den Polizisten erschossen?"