Mumia Abu­Jamal
...aus der Todeszelle
Live from Death Row

Mumia Abu­Jamal ist der derzeit bekannteste Gefangene in den Todeszellen der Vereinigten Staaten von Amerika. 1982 wurde er zum Tode verurteilt, weil er angeblich einen Polizisten ermordet haben soll. Tatsächlich wurde Jamal aber verurteilt, weil sein entschiedenes und parteiergreifendes Engagement gegen Rassismus und politische Unterdrückung den Politikern und der Polizei in seiner Heimatstadt Philadelphia ein Dorn im Auge war. Schon als er 15 Jahre alt war legte das FBI eine Akte über ihn an, nachdem er der Black Panther Party beigetreten war. Später arbeitete er als Radiojournalist und befaßte sich vor allem mit sozialen und politischen Themen aus der schwarzen und hispanischen Community. Mit dieser engagierten Arbeit verdiente er sich den Beinamen "Voice of the Voiceless" ­ "Stimme der Unterdrückten" und wurde zum Präsidenten der Association of Black Journalists von Philadelphia gewählt.

Auch aus der Todeszelle heraus veröffentlichte er weiter seine kritischen Kommentare. Neben The Nation und dem Yale Law Journal veröffentlichten zahlreiche Zeitungen und Magazine in den USA und Europa seine Artikel. 1994 nahm der bekannte US­Rundfunksender National Public Radio (NPR) Jamal für eine wöchentliche Kolumne unter Vertrag. Die rechte Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police (FOP) in Philadelphia setzte daraufhin die Verantwortlichen durch eine Hetzkampagne erfolgreich unter Druck. Die bereits produzierten Beiträge verschwanden im Archiv, der Vertrag wurde wieder gelöst. Das führte in den USA zu landesweiten Protesten und heftigen Debatten über Zensur, Todesstrafe und das Recht auf treie Meinungsäußerung.

Weniger als ein Jahr später ist es wieder die FOP, die, unterstützt von ultrakonservativen Politikern und den Medien, eine Kampagne gegen die Veröffentlichung des vorliegenden Buches in den USA anstreng. Dem US­Verlag Addison­Wesley wird mit Boykott gedroht, der Autor im Gefängnis mit einer Disziplinarstrafe noch schärfer isoliert als bisher und seine baldige Hinrichtung gefordert. Der Abgeordnete Mike McGeehan aus Pennsylvania: "Ob er einen Polizisten umbringt oder einen Buchvertrag im Gefängnis unterschreibt ­ für das eine wie das andere wird er büßen!" (ARD­Kulturreport am 23.4.95)

Was schreckt die Befürworter von Law ät Order so an diesem Buch? »...aus der Todeszelle Live from Death Row« enthält von Mumia Abu­jamal in der Todeszelle geschriebene Essays, einschließlich der unveröffentlichten NPR­Radiobeiträge, mit denen er die Brutalität und die Demütigungen des Gefängnislebens schildert.

Mit diesem Buch hört die Öffentlichkeit zum ersten Mal etwas aus dem Innern der Todestrakte. In seinen Essays setzt sich Jamal sehr überzeugend mit der Todesstrafenpraxis in den USA auseinander. Er weist nach, daß sie ein rassistisches Instrument ist und kritisiert, daß unter dem Motto der "Kriminalitätsbekämpfung" ganze Bevölkerungsgruppen zu Sündenböcken gemacht werden, statt die steigende Armut und Perspektivlosigkeit in den Ghettos zu beseitigen. Mumia Abu­Jamals leidenschaftliche und parteiliche Art zu schreiben hat in den USA die Kontroverse um die Todesstrafe und die Meinungfreiheit verschärft. In der Bundesrepublik Deutschland ist eine Auseinandersetzung um Rassismus und Todesstrafe nicht weniger notwendig. Rassismus müssen in der BRD vor allem jene erleiden, die als Flüchtlinge in dieses Land kommen und nach oft entwürdigenden Verfahren abgeschoben werden: Iri Hunger­ und Kriegsgebiete oder direkt in die Hände der Henker, denen sie entfliehen wollten.

Mumia Abu­Jamals Essays sind ein Plädoyer dafür, nicht zu schweigen und wegzusehen, sondern Licht in die finstersten Ecken unserer Gesellschaften zu werfen und unsere Stimmen zu erheben.