Alptraum

Als meine Mutter mit mir schwanger war, so erzählte sie mir später, galoppierte eines Nachts ein Trupp mit Kapuzen vermummter Reiter des Ku Klux Klan zu unserem Haus in Omaha, Nebraska. Sie umstellten das Haus, schwangen ihre Schrotflinten und Gewehre und schrien, mein Vater solle herauskommen. Meine Mutter ging zur Vordertür und öffnete sie. Sie stellte sich so, daß alle sehen konnten, daß sie schwanger war, und sagte ihnen, sie sei mit ihren drei kleinen Kindern allein zu Hause, mein Vater sei fort, zum Predigen in Milwaukee. Die Klan­Leute überschütteten sie mit Drohungen und Warnungen, wir sollten besser die Stadt verlassen, denn "die guten, christlichen Weißen" würden sich nicht gefallen lassen, daß mein Vater mit den Zurück nach Afrika­Lehren Marcus Garveys unter den "guten Negern Omahas Unruhe stiftet".

Mein Vater, Reverend Earl Little, war ein baptistischer Prediger, ein begeisterter Organisator für Marcus Aurelius Garveys U.N.I.A. (Universal Negro Improvement Association). Mit Hilfe von Anhängern wie meinem Vater errichtete Garvey von seinem Hauptquartier im New Yorker Stadtteil Harlem aus das Banner der Reinheit der schwarzen Rasse und rief die schwarzen Massen dazu auf, in ihre angestammte afrikanische Heimat zuruckzukehren ­ eine Sache, die Garvey zum umstrittensten schwarzen Mann der Welt machte.

Immer noch Drohungen ausstoßend, gaben die Klan­Leute endlich ihren Pferden die Sporen und galoppierten um das Haus herum, wobei sie alle Fensterscheiben mit den Gewehrkolben einschlugen. Und so plötzlich wie sie aufgetaucht waren, ritten sie mit ihren flackernden Fackeln wieder fort in die Nacht.

Als mein Vater zurückkam, tobte er vor Wut. Er beschloß zu warten, bis ich zur Welt gekommen war ­ was bald sein sollte ­, und dann mit der Familie wegzuziehen. Ich bin nicht sicher, warum er diese Entscheidung traf, denn er war kein eingeschüchterter Schwarzer, wie es die meisten damals waren und wie es viele heute immer noch sind. Mein Vater war ein mächtiger, etwa 1,90 Meter großer, sehr schwarzer Mann. Er hatte nur noch ein Auge. Ich habe nie erfahren, auf welche Weise er das andere verloren hatte. Er war aus Reynolds, im Bundesstaat Georgia, wo er nach der dritten oder vierten Klasse die Schule verlassen hatte. Er glaubte genau wie Marcus Garvey, daß die Schwarzen in Amerika niemals Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstachtung erringen könnten und daß sie deshalb Amerika dem weißen Mann überlassen und in ihr afrikanisches Herkunftsland zurückkehren sollten.

Einer der Gründe, warum mein Vater sich entschlossen hatte, sein Leben aufs Spiel zu setzen und sich der Verbreitung dieser Philosophie unter seinem Volk zu widmen, war der, daß vier seiner sechs Brüder eines gewaltsamen Todes gestorben waren. Drei von ihnen waren von weißen Männern getötet worden, einer wurde gelyncht. Mein Vater konnte damals noch nicht wissen, daß von den übriggebliebenen dreien, er selbst mit eingeschlossen, als einziger mein Onkel Jim auf natürliche Weise im Bett sterben würde. Mein Onkel Oscar wurde später im Norden von weißen Polizisten erschossen. Und schließlich starb auch mein Vater selbst durch die Hände des weißen Mannes.

Ich habe immer geglaubt, daß auch ich gewaltsam ums Leben kommen werde. Ich habe alles mir Mögliche getan, um darauf vorbereitet zu sein.