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  Interview des Abgeordneten Rudolf Bindig (SPD)
"Ist Mumia Abu-Jamal dem Bundestag egal ?"
in "junge Welt" vom 01.07.2000
 
 

jW fragte Rudolf Bindig, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion

F: Bei der Sitzung des Menschenrechtsausschusses des Bundestages am vergangenen Mittwoch lag ein Antrag der PDS gegen die Todesstrafe in den USA und für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Mumia Abu-Jamal vor.
Warum wurde der Antrag nicht beraten, sondern auf eine Sitzung im September vertagt?

Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses, darunter auch ich, treten mit Entschiedenheit gegen die Todesstrafe in den USA ein und haben auch im Falle Mumia Abu-Jamal bereits vielfältige Initiativen ergriffen. Ich selbst habe in der Sache an den Gouverneur und an den US-Präsidenten Clinton geschrieben. Es geht hier um die Grundsatzlinie, ob wir zu Einzelfällen Beschlüsse im Deutschen Bundestag machen oder ob wir auf anderem Wege initiativ werden, um in Einzelfällen Stellung zu beziehen.

F: Wurde über den Antrag überhaupt geredet?

Nur kurz zur weiteren Vorgehensweise. Der Bundestag hat bisher eine Grundsatzlinie gefahren, die sagt, daß wir uns in einzelnen Menschenrechtsfällen über die Fraktionen, über die Sprecher und in gemeinsamen Initiativen, die überfraktionell von mehreren Sprechern wahrgenommen werden, einsetzen. Der Deutsche Bundestag hat bisher nicht in menschenrechtlichen Einzelfällen Stellung genommen, es sei denn, es handelt sich um herausragende international bekannte Menschenrechtsverteidiger. Dies ist der einzige Grund, warum der Antrag dort nicht inhaltlich behandelt wurde.

F: PDS und Grüne sind aber dennoch der Meinung, daß es in diesem Fall möglich und nötig wäre, vom Bundestag aus ein Signal zu setzen

Es ist so, daß das Europäische Parlament eine andere Strategie verfolgt. Im Europäischen Parlament werden regelmäßig, fast auf jeder Sitzung, viele Einzelfälle behandelt. Der Deutsche Bundestag hat aber bisher eine andere Linie praktiziert, die ich auch für richtig halte. Wenn wir in dem Fall hier tätig werden - es ist zugegeben ein herausragender -, dann gibt es dennoch eine ganze Reihe weiterer Fälle, die ebenfalls gravierend sind, sowohl in den USA, aber auch in anderen Ländern. Zu denen müßte der Bundestag dann auch tätig werden.

F: Aber dadurch, daß sich der Antrag nicht nur auf Mumia Abu-Jamal bezieht, sondern sich auch gegen die Todesstrafe generell in den USA richtet, ist er doch nicht mehr nur auf einen Einzelfall bezogen ...

Ja, das ist richtig, und wir haben deshalb auch beschlossen, daß wir einen generellen Antrag vorbereiten wollen, der sich erneut mit der Todesstrafe in den USA beschäftigt, aber dieser Antrag muß erst ausgearbeitet werden, weil der vorliegende sich eben in großem Umfang auf den Einzelfall bezieht.

F: In Belgien und Portugal war es den Parlamenten möglich, Anträge für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Mumia Abu Jamal anzunehmen ...

Es gibt Parlamente in Europa, die wie das Europäische Parlament, regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen auch in Einzelfällen Stellung beziehen. Der Deutsche Bundestag hat in seiner ganzen Geschichte bisher eine andere Linie gefahren. Er ist in Einzelfällen nur tätig geworden, wenn es sich um herausragend bekannte internationale Menschenrechtsverteidiger handelt, zum Beispiel bei Ken Saro-Wiwa aus Nigeria. Diese Linie wird auch von mir unterstützt, zumal es viele andere Möglichkeiten für den Deutschen Bundestag gibt, in Einzelfällen tätig zu werden, ohne daß dies über einen Plenumsbeschluß geschieht.
Hier wird ein Scheingegensatz aufgebaut. Als ob sich Leute nicht im vollen Umfang engagieren wollten, um die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal zu vermeiden. Das wäre konstruiert.

F: Ist nicht Mumia Abu-Jamal inzwischen auch eine bekannte Persönlichkeit, vor allem dadurch, daß gegen ihn ein unfaires und rassistisches Verfahren geführt wird?

Ja, es ist ein besonders schlimmer Fall, deshalb gibt es ja auch weltweit eine Kampagne, an der sich viele, auch ich, bereits intensiv beteiligen. Der Deutsche Bundestag hat bereits vieles, was in dem Antrag formuliert ist, beschlossen. Man muß das doch nicht alle drei Monate neu sagen. Wir haben einen Antrag gehabt gegen die Todesstrafe, in dem wir die Todesstrafenpraxis in den USA kritisiert haben. Darauf können wir uns beziehen - auch im Fall Mumia Abu-Jamal.

Interview: Anke Fuchs

 
Quelle:
"Ist Mumia Abu-Jamal dem Bundestag egal ?"
in "junge Welt" vom 01.07.2000
http://www.jungewelt.de/2000/07-01/017.shtml

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